Zwei Jahre nach der offiziellen Eröffnung des Einheitlichen Patentgerichts (EPG) am 1. Juni 2023 zeigt eine detaillierte Analyse der IP-Kanzlei Grünecker, wie das neue Gericht grundlegend die Landschaft der europäischen Patentstreitigkeiten verändert. Mit über 800 eingereichten Verfahren seit seiner Gründung hat das EPG nicht nur rasch an Bedeutung gewonnen – es wurde außerordentlich gut angenommen und übertrifft die ursprünglichen Erwartungen deutlich in Bezug auf Akzeptanz, Effizienz und richterliche Qualität.
Anlässlich dieses Meilensteins hat Grünecker einen umfassenden Bericht veröffentlicht, der sämtliche Aktivitäten des EPG von dessen Start bis April 2025 beleuchtet. Der Bericht, der als Anlage verfügbar ist, basiert auf einer fundierten Datenanalyse und bietet seltene, empirisch gestützte Einblicke in prozessuale Trends, die Effizienz und Belastbarkeit des Gerichtssystems sowie strategische Entwicklungen bei Patentstreitverfahren.
Kernpunkte:
- Hohe Inanspruchnahme: Über 300 Klagen wegen Patentverletzung, zumeist in Verbindung mit Widerklagen auf Nichtigerklärung, sowie mehr als 60 isolierte Nichtigkeitsklagen belegen das starke Vertrauen in das EPG als effizientes Forum für komplexe und wirtschaftlich bedeutende Patentstreitigkeiten
- Herausragende Qualifikation der EPG-Richter: Entscheidungen werden häufig innerhalb von 15 Monaten erlassen, wodurch sich das EPG als echtes „Rocket Docket“ im europäischen Patentrecht etabliert.
- Deutschland als zentraler Verfahrensstandort: Mit einem Anteil von 76 % an den Verfahren dominieren die deutschen Lokalkammern, insbesondere München und Düsseldorf.
Rechtliche Entwicklungen und Ausblick:
Der Bericht von Grünecker identifiziert mehrere Trends, die die Rechtsprechung des EPG maßgeblich prägen. Besonders hervorzuheben ist der sich herausbildende Umgang des Gerichts mit FRAND- und SEP-Streitigkeiten (Standard-Essential Patents). Präzedenzfälle wie Panasonic v. Oppo und Netgear v. Huawei zeigen, dass das EPG dem Verhandlungsverhalten der Parteien, der Transparenz sowie der verfahrensrechtlichen Kohärenz ein erhebliches Gewicht bei der Bewertung von FRAND-Einwänden beimisst.
Im Bereich der Auslegung der Patentansprüche orientiert sich das EPG zunehmend an den Auslegungsgrundsätzen des Europäischen Patentamts und betont eine kontextbezogene Lesart unter Einbeziehung der Beschreibung und Zeichnungen. Auch in dringlichen Verfahren hat sich das EPG als reaktionsschnell und effektiv erwiesen. Über 60 Anträge auf einstweilige Verfügung wurden bereits gestellt. Das Gericht verfolgt hierbei einen praxisnahen und verhältnismäßigen Ansatz bei der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Seine Offenheit für grenzüberschreitende Durchsetzung sowie der zunehmende Einsatz der englischen Sprache steigern die Attraktivität des EPG insbesondere für internationale Verfahrensparteien.
Der vollständige Bericht ist hier verfügbar: „Two Years of the UPC – A New Era in European Patent Litigation”