Am 5. Dezember 2022 gab das Einheitliche Patentgericht (EPG) bekannt, dass die Bundesrepublik Deutschland aufgefordert wird, die Hinterlegung seiner Ratifizierungsurkunde für das Übereinkommen über das Einheitliche Patentgericht (EPGÜ) in Brüssel auf Februar 2023 zu verschieben. Soweit es nicht zu weiteren Verzögerungen kommt, wird die „Sunrise Periode“ dann am 01. März 2023 beginnen. Drei Monate später, am 01. Juni 2023, soll das EPGÜ schließlich in Kraft treten.
In der Zwischenzeit könnten Anmelder, die eine Mitteilung über die Erteilungsabsicht des EPA erhalten, besorgt sein, ob und, falls ja, wann sie einen Antrag auf einheitliche Wirkung stellen können bzw. müssen. Diese Sorge kann ihnen jedoch in der Regel genommen werden, auch wenn dies nach dem Gesetz keine Selbstverständlichkeit ist.
I. Das Problem
Gemäß Regel 6 (1) der Durchführungsordnung zum einheitlichen Patentschutz müssen die Anmelder den Antrag auf einheitliche Wirkung innerhalb eines Monats nach Veröffentlichung der Erteilung im Europäischen Patentblatt stellen. Diese Frist ist nicht verlängerbar. Zugleich können Anmelder nur dann einen Antrag auf einheitliche Wirkung stellen, wenn das EPG vor der Veröffentlichung im Europäischen Patentblatt in Kraft tritt.
Auf den ersten Blick werden Anmelder eines europäischen Patents in anhängigen Verfahren, die einen Antrag auf einheitliche Wirkung stellen wollen, nun darauf hoffen, dass das EPA sich mit der Prüfung der Anmeldung Zeit lässt. Darauf haben die Anmelder jedoch keinen Einfluss – ebenso wenig wie auf das weitere Verfahren: Das EPA, das dem Anmelder seine Absicht mitteilt, das Patent zu erteilen, gibt einen strengen Zeitplan vor, den der Anmelder einzuhalten hat, sofern er keine Änderungen für erforderlich hält. Nach Regel 71 (3), (7) EPÜ muss der Anmelder innerhalb von vier Monaten die Erteilungs- und Veröffentlichungsgebühr entrichten und die Übersetzungen der Ansprüche einreichen – andernfalls gilt die europäische Patentanmeldung als zurückgenommen.
Die einzige Möglichkeit, ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung (Einheitspatent) zu beantragen, besteht daher darin, die Veröffentlichung im Europäischen Patentblatt zu verzögern.
II. Die Lösung
Glücklicherweise wurde das EPA auf dieses Dilemma aufmerksam und führte zwei Übergangsmaßnahmen ein, um sicherzustellen, dass EP-Anmelder einheitliche Wirkung beantragen können. Das EPA hatte diese Maßnahmen bereits im Januar 2022 vorgestellt. Obwohl die Sunrise Periode nach aktuellem Stand am 01. März 2023 beginnt, stellt das EPA diese Übergangsmaßnahmen bereits seit dem 01. Januar 2023 bereit.
Wenn der Hinweis auf die Erteilung im Europäischen Patentblatt voraussichtlich vor dem Start des Einheitspatentsystems (geplant für den 01. Juni 2023) veröffentlicht würde, können Anmelder einen Antrag auf Verschiebung der Erteilung stellen. Dies gilt insbesondere für Anmelder, die bereits die Mitteilung der Erteilungsabsicht erhalten haben. In diesem Fall wird die Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents bis zum Inkrafttreten des Einheitspatentsystems aufgeschoben.
In diesem Fall müssen die Antragsteller jedoch mehrere Aspekte beachten:
- Anmelder können keinen Antrag auf Verschiebung der Entscheidung über die Erteilung eines europäischen Patents stellen, wenn sie Änderungen beantragen. In diesem Fall müssen sie auf die Entscheidung des EPA über die Änderungen nach Regel 71 (3), (6) EPÜ warten. Stimmt das EPA jedoch zu, wird das oben beschriebene Verfahren wiederholt, und die Anmelder können den Antrag entsprechend stellen – es sei denn, das Einheitspatent ist in der Zwischenzeit ohnehin schon in Kraft getreten.
- Anmelder müssen den Antrag auf Verschiebung der Entscheidung über die Erteilung eines europäischen Patents innerhalb einer bestimmten Frist stellen: Er kann nicht nach Ablauf der Viermonatsfrist gemäß Regel 71 (3) EPÜ oder erst nach der Genehmigung des zur Erteilung vorgesehenen Textes gestellt werden. Anmelder, die die Mitteilung nach Regel 71 (3) im September 2022 erhalten und dem Text noch nicht zugestimmt haben, müssen daher schnell handeln, wenn sie eine Verschiebung der Entscheidung über die Erteilung beantragen wollen.
- Der Antrag auf Verschiebung der Entscheidung über die Erteilung führt auch zu einer Verzögerung der Erteilung in den Vertragsstaaten, die nicht am Einheitspatentsystem teilnehmen.
- Der Antrag auf Verschiebung der Entscheidung über die Erteilung umfasst nicht den Antrag auf einheitliche Wirkung, der grundsätzlich innerhalb eines Monats nach Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung im Europäischen Patentblatt gestellt werden muss.
Die zweite „Übergangsmaßnahme“ ist eher als ergänzendes Mittel zum Antrag auf Verschiebung der Erteilung anzusehen.
Sie ermöglicht es Anmeldern, die eine Mitteilung über die Erteilungsabsicht erhalten, einen „frühen Antrag auf einheitliche Wirkung“ zu stellen, bevor die Erteilung im Europäischen Patentblatt veröffentlicht wird und bevor das Einheitspatentsystem in Kraft tritt. Das EPA wird die einheitliche Wirkung nach Inkrafttreten des Einheitspatentsystems registrieren. Damit ist auch sichergestellt, dass die ersten europäischen Patente mit einheitlicher Wirkung beim EPA registriert werden, sobald das EPG seine Arbeit aufnimmt.
Unabhängig vom Antrag registriert das EPA die einheitliche Wirkung jedoch nur, wenn der Hinweis auf die Erteilung nach Beginn des Einheitspatentsystems veröffentlicht wird. Anmelder müssen daher sicherstellen, dass der Hinweis auf die Erteilung erst nach dem Beginn des Einheitspatentsystems veröffentlicht wird.
Mit anderen Worten, kann man in Erwägung ziehen, den „frühen Antrag“ zusammen mit dem „Antrag auf Verschiebung der Erteilung“ zu stellen. Dagegen hat ein isolierter „früher Antrag“ keinen zusätzlichen Nutzen. Er ist insbesondere auch nicht zwingend. Es verbleibt nämlich weiter die Möglichkeit, den Antrag auf einheitliche Wirkung innerhalb eines Monats nach Veröffentlichung der Patenterteilung zu stellen. In beiden Fällen tritt die einheitliche Wirkung rückwirkend ab dem Tag der Veröffentlichung der Erteilung des europäischen Patents ein.